28. August 2017, Montag

8:41
59,5 um 6:45 Uhr. Das rechte Bein ist wieder geschwollen, der Fuß abends kugelrund…

Schweinshaxe!!!!

Und nicht so recht wissen, wo ich anfange. Am liebsten würde ich erst den Tisch abräumen, Ordnung schaffen, in Unordnung kann ich nicht arbeiten. Eines der neuen Räucherstäbchen angesteckt; als die Packung vor einer Woche mit der Post kam, und Sebastian es sich natürlich nicht nehmen ließ, das Paket aufzumachen, meinte er: „Schau, schau! Das Paket war vom Zoll geöffnet worden!“. Der Karton mit den beiden Großpackungen Nag Champa duftete aber auch so dermaßen extrem, es roch hier im Haus tagelang nach Hippieladen, ohne auch nur ein einziges Räucherstäbchen verheizt zu haben! Wunderbar! Und der Zoll dachte wahrscheinlich, da seien Drogen drin versteckt und um Hunde zu irritieren mit starken Duftstoffen umschlossen. Mein Traum heute Nacht war seltsam, eine seltsame Reise wieder einmal in Richtung Fürstenfeld. Von einem Mordkomplott, einer Mordankündigung in Form eines Briefes habe ich geträumt. Da waren lauter seltsame Nachbarn und besonders eine davon fiel immer wieder durch Exzentrik auf und natürlich dachte man jetzt, sie hätte das geschrieben, zumal sie nicht auf der Liste der Opfer stand, aber bei den Gründen, warum die jeweiligen Personen sterben müssten, handelte es sich ausnahmslos um Dinge, die sie die ganze Zeit lautstark kritisierte. Bedeutungslos?
Nachts regnete es und morgens beim Aufstehen Nebel im Graben. Wie seltsam war das immer beim Laufen, unten in der Ebene durch eine fremdartige Welt zu rennen, und kaum erklomm man irgendeinen Hügel, blauer Himmel, Sonnenschein und strahlendes Herbstwetter. Ich kann es gerade sehen, glasklar vor meinem inneren Auge. Ich höre die Musik, die ich zu dieser Jahreszeit immer präferierte… Und es tut im ersten Moment weh, um dann in Panik umzuschlagen. Aber jetzt muss ich aufhören, es gibt ohnehin nichts zu sagen; es gilt sich zu konzentrieren, um das Fleckenchaos auf den Flügeln des Schmetterlings zu entschlüsseln und auf der Leinwand umzusetzen…

10:45
2 Stunden gemalt. 2 Stunden Krämpfe. Nur deswegen nichts dagegen unternommen, weil ich jetzt Sebastian entgegengehen werde und in der Bewegung lösen sich die muskulären Neuropathien auf. Nach ein paar Tagen des Konsums kann ich nicht behaupten, dass das Cannabidiol in irgendeiner Form eine Wirkung hätte. Türen schließen, Zähne putzen und auf den Weg machen…

14:32
Der Himmel ist jetzt bewölkt und in mir brodelt stumme Wut. War das ein Zufall oder nicht? Der Spaziergang war super, zumindest die ersten 30 Minuten, in denen ich bereits 400 m geschafft hatte. Die Shuffle-Funktion meines Handys spuckte nur grandiose Musik aus, ich war kraftvoll, fühlte mich gut… Doch dann kam die Kreuzung und pralle Sonne knallte auf mich herab. So schaffte ich vielleicht 500 m insgesamt in 60 Minuten; anschließend benötigte ich sage und schreibe 10 MINUTEN um die wenigen Schritte vom Badezimmer ins Wohnzimmer zu schaffen. Aber das wäre ja noch gar kein Grund, auszurasten… Vor mir steht das Fläschchen mit dem Tramal, es wird noch zum Einsatz kommen. In Gedanken überlege ich bereits fieberhaft, wo ich meine Rasierklingendose zuletzt versteckt habe. Um 16:00 Uhr ist Sitzung.

DAS HAT DIE VERFRESSENE SAU DAVON!!!!

Er hatte mir mittags nach meinem Training einen weiteren Eiweißshake gemacht und nun wollte ich mich eigentlich gleich an die Leinwand setzen und, ich muss gestehen, noch irgendetwas naschen. Zwei Marshmallows und eine Tüte mit Schokoladekugeln landeten auf dem Rollator. Mein Blick wurde plötzlich gebannt von dem Testament, dass da immer noch über dem Regal an der Pinnwand hängt. Ich las es mir ganz langsam durch. Dann wurde die Aufmerksamkeit vom Foto darunter angezogen; jenes vom Fotografen des Museums. Das Porträt, das die Künstler dann nach der Ausstellung geschenkt bekommen haben. Macht es mich traurig oder erst recht ein Anlass mehr für die Sehnsucht nach dem nächsten Selbstmordversuch? Wie auch immer, auf dem Boden lagen viel zu viele Sachen herum, die ich nicht aufheben konnte und er hat sie nicht gesehen, weil er nie auf den Boden kuckt, ich musste rückwärts gehen, zog den Rollator zu nah an mich heran, verlor das Gleichgewicht, geriet ins Wanken, konnte meine Gehhilfe nicht mehr nach vorne schieben, die Hände zogen nur noch immer weiter nach hinten und so bin ich gestürzt, knallte gegen eine der kleinen Wände vom Küchenblog und landete im Körbchen meiner Mutter, mit dem Sebastian immer Essen holt. Den roten Knopf gedrückt, der Mitarbeiter vom Roten Kreuz verstand mich nicht, obwohl ich so laut brüllte und nach etwa 7 Minuten war Sebastian schon da: „Ich hab’s mir gedacht! Hab es mir den ganzen Tag schon gedacht, es geahnt!“. Ich blieb unverletzt aber in der Tat wollte ich, noch allein, in Tränen ausbrechen. Als ob ich für einen Moment des Glücks in meinem vermaledeiten Körper immer eine saftige Retourkutsche abkassieren müsste!! Schwer seufzen… Noch 1 Stunde und 15 Minuten bis zur Therapie. Zur Droge greifen… 40 Tropfen, doppelte Dosis. Unvernünftig, mit dem Rollator ins Bad zu fahren, um dort den linken Arm mit heißem Wasser vorzubereiten? Lieber den Rollstuhl wählen? Mich kotzt alles an!! Die Wut in mir wird lauter und lauter…

15:01 und das Halten der Rasierklinge wird mich vollends abschießen, jeden noch so winzigen Krümel an Ressourcen kosten. Dennoch komme ich nicht umhin meiner Lederhaut etwas Blut abzutrotzen. Das heiße Wasser auf der Haut war bereits Schwächung genug, nicht umsonst stand ich letztens bei unserem Einkaufsbummel wie gebannt vor den Dosen mit unterschiedlichen Cuttermessern. Die lägen besser in der Hand, sind aber nicht so scharf wie Rasierklingen. Ich denke noch an mein Spiegelbild, als wir zuvor nach Hause kamen, wie mein Bauch dick aufgebläht über meinen Hosenbund hing und über die fette Wampe hing der Rest meines Oberkörpers regelrecht drapiert, ohne jegliche Körperspannung. Ich hasse mich!…

Die Klinge ist stumpf. Wertlos. Und ich?…

EINE FEIGE SAU!!

Die Hände wieder eiskalt, als hätten sie nie Kontakt mit dem heißen Wasser gehabt. Draußen beginnt der Himmel zu weinen. Die Dosis fährt ins Gehirn. Konsterniert auf dem Rollstuhl hängen. Lethargisch. Das soll es gewesen sein? Zehn Katzenkratzer?
Irgendwo in der Rollatortasche muss noch die andere Klinge sein… Schnell gefunden, stümperhaft versteckt. Das ist weniger ein Versteck als ein Stauraum, in den man etwas wegräumt. Noch 30 Minuten bis zur Sitzung. Zeit lässt sich auch so vergeuden…
Aber kaum zu glauben! Um dieses Werkzeug ist es noch schlechter bestellt! Die flache Seite und viel zu kontrolliert. Warum nicht wie früher den Verstand verlieren und „einfach drauf los schneiden“? 25, die letzten bluten sogar und für einen kleinen Fleck auf dem Tuch reicht es alle Mal. Einen der Schlauchverbände überstreifen.

15:56
Die Parteien schonen sich nicht, ein reger Schlagabtausch… Mich anpinkeln. Natürlich erwischt es dabei das Sitzkissen, mich umzuziehen macht aus mir einen bewegungsunfähigen Zombie. Was der Körper kann, kann ich auch… Mindestens sechs Tropfen Psychopax auf die Überdosis obendrauf. Wenn es nicht sogar 10 geworden sind, ich hörte auf mitzuzählen. Markus anrufen…

18:23
Es regnet noch immer, ab und an Donner, Blitz. Ob die Sitzung etwas gebracht hat, wage ich zu bezweifeln. Definitiv spüre ich von meinem Rausch so gut wie nichts mehr, außer dessen Wirkung auf den ohnehin vorhandenen Schwindel. Sebastian will um 7 runterkommen und ich noch ein wenig malen. Ernsthaft?! Insgeheim aber am Überlegen, ob ich auf die Benzos andere Benzos draufhaue. Temesta, Gewacalm oder gleich zu den harten Bandagen greifen und jede Menge Morphium schlucken? Wäre Sebastian nicht gekommen,… die Therapie über schlummerte in mir dank Überdosis der Wunsch, mich umzubringen. Der Regen, wie am 21. Mai 2015, der Kopf einerseits leer und andererseits so fixiert auf die Idee, dem ganzen Theater endlich ein Ende zu bereiten. Ich bin so krank! Im Kopf! Die Rechte klimpert. Prompt tauchen in mir weitere Erinnerungen auf. Wie Titelseiten, die nur Schönes verheißen und nichts darüber verraten, was sich unter der Buchklappe verbirgt. Rumpelstilzchen gibt seinen Senf dazu ab, aber ich mag nicht mehr… Es mit der Farbe versuchen.

Nein, ich kann nicht mehr.