24. Mai 2023, Dienstag „Versteinert!“

9:02
Zur Beruhigung (Ist das nicht tragisch, dass so etwas beruhigt? Wie meine Mutter?!!) eine große Shoppingtour bei Amazon gemacht. Bunt gemischt, alle möglichen Sachen, für deren Erlangen ich hier Monate warten müsste, zumal das Zehnfache bezahlen dürfte. Eine große Flasche Anti-Dekubitus-Creme, nun gleich die ganz harte, Stufe 10. Meine Haut ist auch so dermaßen trocken, ständig schuppe ich an einer neuen Stelle, die Stirn, die Schienbeine, der Handrücken, die Fußrücken usw. und so fort. Und plötzlich setzt Panik ein. Warum? Bis gerade eben ging es mir doch noch gut? Oder hätte ich das wiedereinmal nicht wahrnehmen dürfen? Die Zahnschmerzen die letzten Tage immer schlimmer, insofern heute Mittag der nächste Termin, und ich hoffe sie finden was, sie tun was, am besten, sie machen ein neues Röntgen, so könnte man zumindest sehen, ob die ganzen Arbeiten von zuletzt eigentlich irgendetwas bewirkt haben. Die Spastik wird immer schlimmer. Ich kann die Finger der rechten Hand immer schlechter strecken, schon gar nicht, wenn ich nach etwas greifen möchte. Und gestern beim Ausflug nur noch schwerlich mit der Linken die Steuerung halten. Super, dass der Facharbeiter der Rollstuhlfirma auf meine Mail von vor 3 oder 4 Wochen „schon geantwortet“ hat… Hatte ja angefragt, ob es nicht doch noch einen etwas kleineren Ball gäbe, weil ich doch die Hand kaum aufmachen kann. Das Wetter heute scheint scheiße, insofern nicht schlimm, auch den Nachmittag drinnen verbringen zu müssen. Noch so viel Arbeit an meinem neuen Film und gefühlt will und will er nicht fertig werden. Dabei schon Material für ein neues Kurzprojekt produziert.

Glaubst du das interessiert irgendeine Sau?!!

Und Rumpelstilzchen, unglaublich laut. Und natürlich, NATÜRLICH jetzt sitzt ein Pirol draußen im Sanddorn. Ich verfolge ihn seit Wochen, seit Tagen, aber JETZT ist er dort draußen, wo ich NATÜRLICH KEINE Kamera zur Hand habe!! Habe ich erzählt, die neue Kamera, die ich zuletzt zurückschicken ließ, weil Sebastians Arbeitskollege dasselbe Modell für € 50 verkaufen wollte, erneut geordert zu habe? Denn ebenfalls seit Wochen hat er sie nie mitgebracht!

Die Spastik erwürgt mich. Wie die Panik soeben. Die scheint es nun unmöglich zu machen, irgendetwas zur Ablenkung anzustreben…

10:47
Bereits einmal umsonst rausgefahren. Ich bin fertig! Verdammt noch mal, ich bin fertig!!! 10 HÜBE Tramal. Eine 2,5 fache Maximaldosis. Allein der Gedanke, dass einer an der Tür klingelt, bringt mich fast um!!

Oder so wie gestern? Auf halber Strecke nach Hause, im Wald, kam mir plötzlich der Gedanke, nicht mehr nach Hause zu fahren. NIE WIEDER NACH HAUSE ZU FAHREN! Nie wieder zurück in dieses alte System aus Terminen, Ärzten, Krankenhaus, Krankheiten, Bedürftigkeit und zudem konfrontiert mit den blutigen Splittern meines Lebens an jeder einzelnen Wand, oder der Berg nagelneuer Laufschuhe im Schlafzimmerregal, nicht zu vergessen die Panik, die im Haus wohnt, hier draußen im Wald, hier draußen in meiner Natur, da hat sie keinen Platz… Einfach hierbleiben, für immer und nach Hause? Nie wieder!!! Abhauen? Oder mich umbringen, stante pede, unverzüglich, sofort, ohne noch einen einzigen Aufschub zuzulassen?!!!

So ein dringliches Gefühl, beinahe ein Zwang, die eine Hand packt kräftig zu und zieht und die andere hält in ihrer großzügigen offenen Handfläche eine Erlösung, DIE endgültige Lösung parat, die sie mir schenken möchte…

Warum immer noch hier? Warum immer noch da?

Mich aufschlitzen, mich erlösen? Aber nein, was steht dann wieder für ein Mist im Befund nächste Woche? Borderline? Und ich will doch endlich weg von diesen beschissenen Heparinspritzen, meine fette Plautze ein überfülltes Sammelalbum von unterschiedlichen Hämatomstickern!! Und nun nicht, um mich dann mit einer simplen Selbstverletzung ausbluten lassen zu können. Ich habe diese Schmerzen satt, es tut doch ohnehin alles nur noch so unendlich weh!!!! Nun noch den Internisten in Jennersdorf anrufen? Der mich dann vermutlich auch nicht umstellen kann auf das andere Präparat?!!

Mir hängt die Kotze im Hals, wieder einen Zettel auf den Türklingelschalter kleben? Noch 2 Temesta obendrauf?

27. April 2022, Mittwoch „Knochen brechen…“

17:55
Mir scheint schon wieder die Zeit davonzulaufen. Warum vergeht die Zeit im Frühling plötzlich so schnell? Warum ist ein Monat nichts mehr wert? Eine Jahreszeit gegen Ende des Jahres ebenso wenig?

Und dabei war die heutige Arbeit am Video bis dato komplett wertfrei. Ich habe das Material, das ich vielleicht irgendwann mal verwenden werde, vorgeschnitten. Mehr nicht. Denn ich kann mir ja für die restlichen Tage nicht die Arbeit wegnehmen, wenn es wieder regnet wie in den letzten? Gemäß dem Fall ich stehe dann überhaupt auf? Hinter mir liegen 2 Nächte ohne Schlaf, die Panikattacken wurden zum Dauerzustand und so lag ich auch mit weit aufgesperrten Augen im dunklen Zimmer. Zum Glück gibt es Internet, Netflix und YouTube!

Das Schlimme daran ist ja: Nach nachgeholtem Schlaf bin ich völlig unbeweglich. Nun gut, in dem Fall der zurückliegenden Nacht liegt es wahrscheinlich auch noch zusätzlich am Trittico. Wollte es wieder nehmen, weil die Panik so schlimm war in letzter Zeit. Was will ich mehr, ich bin nichts als ein Zombie! Und gestern konnte ich das auch noch bildlich unter Beweis stellen!

Termin bei der neuen Zahnärztin (Mutter und Tochter). Trotz der 7 Stufen und der sitzenden Fahrt mit der Rettung (ich habe NICHT gekotzt), war es wohl ein Erfolg! Die beiden sind toll! Und zogen mir gestern die beiden Zahnreste. Die Trümmer des einen Zahns hätten schon vor einem Jahr gezogen werden müssen, und die 2. bekamen gestern keine Schonfrist. Es ist nicht sonderlich appetitlich, wenn man dieses Knirschen hört und spürt. Lag das jetzt daran, dass meine Zähne wirklich komplett kaputt sind? Doch Osteoporose? Ich hatte das Gefühl, „normal ziehen“ ließen sie sich nicht und hatte Angst, dass man Splitter irgendwo in der Wunde vergisst, die dann wiederum zu noch mehr Schaden führen. Mit einem dicken Wattebausch in der Backe war nach über 20 Minuten wohl alles geschehen, zudem wurde für € 73 dem voraus eine Zahnreinigung gemacht. Sind meine Zähne jetzt wieder etwas weißer? Empfindlich auf jeden Fall!

So warf ich gestern alle möglichen Schmerzmittel ein. Um heute, als sei das alles schon wieder vergessen, weiter zu leben. Die Zahnärztinnen meinten lediglich einen Weisheitszahn ziehen zu wollen. Wie es mit der Lücke weitergeht ist noch ein Rätsel, dem voraus müsste ohnehin die Wunde/Wunden erst einmal 3 Monate abheilen. Und beherdeten Zahn sahen sie wiederum auf ihrem eigenen Röntgenbild nur einen. Da erklär‘ mir mal einer, warum man das Bild von der Zahnklinik nicht mitgegeben hat?? Der Befund liest sich wie ein komplizierter Bauplan, oder Kochrezept! Aber die darin aufgeführten Schäden sind so nicht sichtbar!! Ganz toll, danke!!

Und da schwindet sie schon die kurzzeitige Hoffnung, mit Reparieren dieser Baustellen meinen MS-Zustand zu verbessern. Da ist nichts mehr zu machen, was mache wiederum ich mir vor?! Kann mich ja nicht einmal mehr an den Umstand klammern, die Verschlechterungen auf Fieber zurückzuführen. Ich habe kein Fieber mehr, schon seit 3 Tagen nicht. Alles ist im Arsch, und so kamen auch wieder die Selbstmordgedanken. Deswegen Panik? Unterschwellige Angst vor dem Zahnarzttermin definitiv! Und wieder die Frage stellen, ob nun vielleicht etwas auftaucht. Der Tod meiner Tante hat es sicherlich noch ein bisschen angeheizt, diesen schon seit Wochen latent vorhandenen Dauerzustand. Die kleinen Flashbacks, die „Kurzzeitdissoziationen“, die den ganzen Tag, seit Wochen durch Geräusche, Gerüche oder Lichteindrücke ausgelöst werden, enden IMMER in Pinkafeld bei Tante und Onkel. Gehäuft in letzter Zeit auch bei einem einmaligen Freibadbesuch dort. Warum machen mir diese Erinnerungen so eine Angst? Würde ich mich auf normalem Wege daran erinnern, wären sie angstfrei. Ich würde sie nicht kritiklos sehen, denn letztendlich wurde ich als Schneiderpuppe missbraucht, aber das war doch meine Mutter, die meine Tante dazu anhielt. Oder wollte ich das? Wollte ich diese ganzen Kostüme haben? War es meine Schuld? Kann ein Kind an irgendetwas schuld sein? Nein!

Die Beerdigung war schon, natürlich war ich nicht dort. Fühle ich mich nun einfach nur noch mehr schuldig? Erst recht meiner Mutter gegenüber? War ja ihre Schwester…

Und dann die Ankündigung meinem Vater gegenüber, dass ich den alten Rollstuhl bei ihm abholen werde, und dann könnten sie und ich ja „spazieren gehen“? Vorgestern sah ich das Auto in Jennersdorf und machte wieder einen riesengroßen Bogen darum. Noch mehr Schuld?

Bei dem Wort „Schuld“ kocht die Angst in mir erneut über. Ich bin wieder in alten Denkmustern, Verhaltensmustern gefangen, muss meine Mutter sterben sehen aus der Warte einer 6-jährigen. Und um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen: „Wie dick Sebastian mittlerweile geworden ist, dass er NICHTS für seine Gesundheit tut und bald sterben könnte!!“…

War es das darüber Nachdenken jetzt wert? Die Augen werden geflutet…

29. September 2019, Sonntag „Arsch auf Grundeis!“

17:50
Muss das sein, tut das Not? Sebastian fragen: „Bin ich eine schlechte Tochter? Bin ich eine undankbare, verkommene Tochter?“.
Der Tag war einfach zu schön, das Wetter einfach zu schön. Als wir nach dem sehr späten Frühstück zu Mittag kurzerhand doch noch zum Feuerwehrhaus fuhren, damit ich wählen kann, kam ich zwangsläufig mit den Außenbedingungen in Kontakt, und es wäre eine Schande gewesen, diesen Tag wieder einmal nur im Wohnzimmer vor meinem Computer zu verschwenden. Obwohl es mit dem Rollstuhl überhaupt keinen Spaß mehr macht. Und ich hoffe, hoffe inständig, dass er mich morgen nicht schon wieder versetzt, ich morgen endlich einen Ersatz bekomme, und dieser vor allem 10 km/h drauf‘ hat!
Es war sehr spät, als ich losfuhr. Zuerst hielt mich der eine Nachbar an,, er hätte etwas für mich. Erst war ich irritiert, aber schaltete zügig: „Du wirst doch nicht etwa mein Haarband gefunden haben?“. Eines der beiden Bunten von dem Stand der Ecuadorianer, glaube ich mich zu erinnern. Ich hatte es doch vor vier Tagen bei meinem Ausflug verloren, war extra es suchen gefahren, hatte Sebastian extra meine Strecke mehrfach mit dem Auto entlang gejagt, ihm immer wieder vorgeworfen, er hätte seinen Pulli, den ich an diesem Tag getragen habe, noch nicht ordentlich umgekrempelt und ebenso ordentlich nachgeschaut zu haben, ob es sich nicht darin verbirgt. Ich war so dankbar, weil die Farben so schön herbstlich sind… Macht mich das Ding „glücklich“?
Zwangsläufig denke ich an meine Farbtuben, dass ich dieselben Farben in meinen Kisten und Schubladen habe, und dass ich sie nie wieder benutzen werde… Mir kommen die Tränen.
Dann hielt mich eben der zweite Nachbar an, um sich mit mir über Gott und die Welt zu unterhalten, lustigerweise, was er von Religion hält, nämlich genau genommen nichts, was ihn mir gleich noch sympathischer machte, und das Thema „Patientenverfügung“ wurde eingängig auseinandergenommen. Mehrfach sagte ich, ich müsse jetzt weiter, ich wolle noch runter zum Fluss. Und kam doch nicht vom Fleck. Sicherlich eine halbe Stunde, wenn nicht noch länger, ehe ich endlich den Absprung schaffte. Aber es war nicht schlimm. Die Panik hielt sich in Grenzen, fühlte mich nicht so dermaßen gehetzt. Und die Fahrt war schön, weil der Tag schön war. Gleich hintereinander mit mehreren unterschiedlichen Insekten das Vergnügen gehabt alle vor meine Linse bekommen. Viele Radfahrer, alle grüßten freundlich zurück, eine meinte sogar, ich sei ja ganz schön flott unterwegs, woraufhin ich nur den Kopf schütteln konnte. Geplant war, so weit zu kommen wie möglich. Zur Lafnitz, da noch versuchen den Berg nach Unterhenndorf zu schaffen, und dann weiter sehen, wann mich Sebastian abholen muss. Wollte noch ein paar Aufnahmen für den Film machen, weil das benutzte Material nicht unbedingt den Anforderungen entspricht. Ich hatte gerade eben erst auf die Bundesstraße eingebogen, dieses kurze Stück, vielleicht 100 m, ehe es links weiter auf der Dorfstraße gehen würde, zum Fluss, DEM Fluss meiner Kindheit und Jugend. Dieses lange Stück zwischen Königsdorf und Gillersdorf, gerade bei DEM Wetter, zu DER Jahreszeit, direkt nach der Diagnose, meine letzte beste Freundin und ich, jeden Tag am Inlineskaten.

Daran musste ich denken und wurde ein wenig wehmütig. Und wie ich da so fahre, kommt von hinten ein Auto, das mir bekannt vorkommt. Aufs Kennzeichen habe ich nicht geachtet. Konnte nur beobachten, wie der Wagen auf der Bundesstraße neben mir langsamer und langsamer wird, ohne ersichtlichen Grund, und gleich mehrere Autos hinter sich ausbremst, und dann noch dazu ohne zu blinken plötzlich links abbiegt, noch wenige Meter fährt und dann rechts am Wegesrand zum Stehen kommt. Hatten nicht meine Eltern so einen Wagen, hatten wir diesen nicht erst vor ein paar Tagen bei entfernter Verwandtschaft stehen gesehen? Ich schüttelte nur den Kopf, brabbelte in meinen imaginären Bart hinein: „NEIN!! Bleib‘ bloß nicht stehen!! Nein, nein, NEIN!!!“. Mir ging der Arsch auf Grundeis! Schlagartig packte mich Panik, eine fette Panikattacke, ich hatte das Gefühl, erwürgt zu werden, keine Luft mehr zu bekommen, nicht länger atmen zu dürfen, und dazu wieder Minimum 20 Ziegelsteine in meinem Magen!! Ich wagte es nicht, hinüber zu sehen. Fühlte mich schon schlecht und schuldig und dreckig, ob meiner Gesten und Mimik. Und vor einfach geradeaus, weiter auf der Bundesstraße bleibend!

Während ich das schreibe, beginnen beide Hände zu klimpern. Angst. Panik. Ich WILL meine Eltern nicht sehen. Ich KANN meine Eltern nicht sehen. Ich halte es nicht aus. Das Kopfkino vermutlich völlig überzogen, übertrieben, aber meine Gefühlswelt im Aufruhr! Dazu diese Schuldgefühle: „Was tue ich allen an? Wie kann ich es wagen? Mich zurückzuziehen? Meine Gefühle, meine Angst über das Wohl diese armen Leute zu stellen, über das Recht, dass sie auf ihre Tochter haben??!!!“.

Wie zum Henker sollte ich reagieren? Was war angemessen?
Prompt ereilen mich Dejavues. Wie bestellt, wird serviert. Selber schuld. Hat nichts zu bedeuten.
Mit sicherem Abstand, und weil der Wagen nicht hinterher kam, nicht an mir vorbei fuhr, hielt ich kurz, wühlte in meiner Fototasche hinter mir am Rollstuhl, um die schwarze „Büchse der Pandora“ zu suchen und zu finden. Als ich die Rasierklingen sah, dachte ich ernsthaft, ich will eine davon schlucken. War davon überzeugt, ich MUSS eine davon schlucken! Als Strafe, Wiedergutmachung, Vergeltung! Stattdessen fingerte ich zwei weiß-rote Kapseln heraus, die ich mir unverzüglich in den Mund stopfte. Und schluckte. Fühlten sich ebenfalls an wie ein Ziegelstein, hinterließen im Hals, in der Speiseröhre, in meiner Kehle den gefühlten Eindruck eines solchen, der dann zu allem Überfluss noch stecken geblieben sei. Und jetzt, die Derealisationen, der Eindruck, im nächsten Moment einer Dissoziation anheim zu fallen, Produkt des Morphiums. 5,2 mg Morphin. Beruhigt es mich jetzt? Dachte ich doch, war felsenfest davon überzeugt, kaum zu Hause, müsse ich mich nach allen Regeln der Kunst massakrieren. Während er mir in der Küche wieder einen dekadenten Milchkaffee kochte, der viel zu viele Kalorien hat und mit an meiner Gewichtsmisere beteiligt ist, das hat die Vergangenheit gezeigt, schrubbte ich endlich das alte Blut von meinem linken Unterarm. Während er jetzt oben mit seiner Mutter telefoniert, denke ich immer noch, es bedarf einer angemessenen Bestrafungsaktion durch mich selbst. Meine armen Eltern. Meine arme Mutter. Was tue ich ihnen an? Was sind das für perfide Vorwürfe, die da im Raum stehen, und sich lediglich auf meine Emotionen stützen, weil keinerlei Erinnerung, nichts als Ängste und ein „ausgedachtes inneres Kind“, das DAS alles nicht mehr aushält???

Kindheitserinnerungen. Schön. Banal. Und mit Todesangst vergiftet. Ohne rational erkennbaren triftigen Grund. Beide Hände klimpern bis 4, zählen bis 4, tun so, als könnten sie mich damit einfangen und beruhigen. Bedarf es härterer Bandagen? Unterleibsschmerzen. Meine Verdauung streikt. Und die Ladung Schmerzmittel wird dieser Causa ebenfalls nur noch mehr Brisanz angedeihen lassen…

Er sagte: „NEIN! Du bist keine schlechte Tochter!!“. Sagt er das nur, um seinen Frieden zu haben, weil er weiß, dass ich das hören will? Er verneint dies, meint, auch ohne Erinnerung mich auf meine Gefühle und Ängste zu berufen und daraus zu reagieren, sei kein Zeichen irgendeiner Undankbarkeit und Ungerechtigkeit meinerseits. Pflichtet mir bei, dass diese Gefühle nicht ohne Grund existieren. Weil mir DAS jedes Buch über Missbrauch und Traumafolgestörungen sagt. Weil mir das jeder Psychologe und Psychotherapeut sagt. Aber, unterm Strich, bin ich die Kleine, die sich dreckig gemacht hat, die schuldig ist, die schlecht ist… Und sehe mich bei diesem Lichteinfall hinterm Gasthaus sitzen, vielleicht mit neun Jahren, auf einem der Nussbäume, und weine ins Abendrot hinein, weil meine Mutter stirbt, weil ich sie sterben sehe, ich keine Zukunft ohne sie habe, weil ich schuld bin und aus diesem Dilemma NIE IM LEBEN HERAUSFINDEN WERDE!!!

18:46
Beide Hände gelähmt. Ein Räucherstäbchen anstecken, mir gönnen, obwohl ich es nicht verdient habe. Mir den vorläufigen Schnitt, den Anfang mit der Musik zu Gemüte führen. Beim Gedanken, beim Diktieren erfasst mich die nächste Panikwelle. Darf nicht… Nicht SEIN. Alles von mir ein Verbrechen. Die Hände klimpern. Die Strafe wird kommen, unweigerlich, früher oder später. Warum ich heute nicht aus dem Bett kam, und mehrmals um Aufschub bat, ehe er mich endgültig aus den Federn montierte? Die ganze Nacht durch gekrampft. Kein Heilmittel. Ich zerrte an den Beingurten, mal links, mal rechts, meine Extremitäten wechselten sich gerecht ab, jeder kam zum Handkuss, keiner wurde benachteiligt, erst recht ich nicht. Oder prügelte auf meine Oberschenkel ein. Mal links, ein oder zwei Stunden später dann rechts. Kein Ende in Sicht und Angst, Sebastian um den Schlaf zu bringen. Aber er meinte: „Ich bin das schon so gewöhnt, ich merke es gar nicht mehr!“.

27. August 2019, Dienstag „Sommerende…“

7:54
Die Ressourcen verbraucht, verraucht, das Possenspiel zerfällt. Ich kann nicht mehr. Gestern mehrfach aus dem Zimmer geflüchtet. Wir sind nun vollzählig, die Zimmerkapazitäten ausgeschöpft. Die politische Stimmung zu testen konnte ich wieder mal nicht lassen, äußerte mich zu „unser aller Alpenrocker“ Herrn Gabalier, er sei ein Chauvinist, Frauenfeind, und eine Front weiblicher Empörung donnerte mir entgegen. „DER kämpft für die Frauenrechte!!!“… So so, Rechte wie 1940, Frauen zurück an den Herd! Holladrio-Dodel-Jodel-Heil“!

9:28
Gegen den Radio ankämpfen. Das Diktierprogramm sorgt für weitere Nervenentgleisungen. KEINE Nerven mehr. Das Nervenkostüm liegt blank.
Die Diskussion gestern betreffend mir bei der Physiotherapeutin kurz Luft machen müssen. Und prompt, als wir zurück ins Zimmer kamen, wetterte das Handy wieder Alarm und sie kam auch zum Handkuss, zeigte sich ebenso entsetzt, was meine Beschwerde zuvor zu unterstreichen wusste. Danke.
Das beschissene Programm will überhaupt nicht mehr mitspielen; handelt sich auch um eine ältere Fassung.

Ich verschanzte mich abends draußen, hielt es nicht mehr aus. Gabalier permanent volle Dröhnung ohne Vorwarnung als Klingelton, Schlagerparty auf volle Lautstärke aus dem Radio unserer Veteranin, RAUMFÜLLEND, so viel Gerede, durcheinander… ALLES ZU VIEL!!!

MEINE SCHULD, MEIN PECH.

25. August 2019, Sonntag „Bröckelnde Fassade…“

10:28
Die ehemalige junge Zimmernachbarin hatte mir erzählt, dass es von der Netflix-Serie „Tote Mädchen lügen nicht“ weitere Staffeln geben soll. Gestern mit dem Kucken begonnen. Als ich dann abends im Bett lag, die erste Folge der zweiten Staffel, und ich brach unkontrolliert in Tränen aus. Und jetzt… Die beiden Zimmernachbarinnen, die etwas mitkommen könnten, sind augenblicklich beim Rauchen. Unsere Veteranin hört wieder volle Lautstärke Radio, erst die kotzwürdigen Schlager, dann wieder eintauchen in meine Kindheit, 1980er, „I just called to say I love you“. Davon gibt es einfach kein Entfliehen, nicht einmal mit Kopfhörern. Die Klangverschmutzung kriecht zwischen den Ohrstöpseln in meine Gehörwindungen und vergiftet mein Gehirn mit Panik, Derealisation, Beinahe-Abscencen.
Dann dieser erneute Affront mit meiner speziellen Lieblingsschwester („Lass den Blödsinn doch sein!“-zu meinen Autoaggressionen). Monierte, warum der Port-a-cath nicht punktiert würde, um mich wie eine Fünfjährige maßregeln lassen zu müssen. Mit lauter altklugen Scheißweisheiten…
und dann die Visite, unerwartet mit meiner neuen „Herrin und Meisterin“, die mir doch tatsächlich anbietet, ich könne mich über ein neues Präparat ja auch mit meiner alten Neurologin auseinandersetzen. Aber ich meinte nur, abwinkend: „Ich habe wirklich keine Lust mehr auf Angela Merkel, danke!“. Also ein neues Präparat, das einmal halbjährlich per Infusion verabreicht würde. Irgendetwas mit „O“. Wie es mir ginge. Schulterzucken und Handzeichen auf meine Augen. Das neue, das letzte MRT hätte doch tatsächlich ergeben, dass gar keine Kontrastmittelaufnahme mehr stattgefunden hätte.So fragte ich sie, ob sie meiner Theorie beipflichte, dass es sich also um eine abgelaufene Sehnerventzündung handelt, und das ist und bleibt erst einmal status quo!Aber trotz allem hätte sie freitags veranlasst, hinter den Kulissen, dass man eine weitere Stoßtherapie beginnt. „Da kann man hinterher wenigstens nicht sagen, man hätte es nicht versucht!“.

Status quo… Großartig. Und das war es dann oder wie? Der endgültige Rundumschlag, der vernichtende Schlag, der noch zu erwartende Genickbruch…

ZU BESCHISSENER KRÜPPEL!!!
JETZT SIEH‘ ZU, WIE DU DAMIT KLAR KOMMST!!!

Ich hab die Ohrstöpsel in den Ohren, darüber noch einmal das Headset, und dennoch kriecht dieses stupide Kirchengewäsch in meinen Schädel und lässt die ganze Situation noch bescheuerter und surrealer erscheinen…

Der Kirchenchor singt mehr schief als sonst was, Und plötzlich finde ich mich wieder in viel zitierter „Weihnachtsfeiersituation“ damals als Kind, die immer wieder wie Sodbrennen plötzlich hochkommt, wie Kotze, zusammen mit existenziellen Todesängsten und der vermutlich berechtigten Befürchtung, dass damals irgendetwas passiert sein muss.

Unkontrollierte Tränen, ehe die Augen wieder zu brennen beginnen, Weil sie mein eigenes Geheule satt haben, meine Tränen giftig, verätzen den Augapfel. „Komm‘ damit klar!“. Nicht laufen, nicht gehen, nicht malen, nichts auf der Kamera erkennen, nichts am Bildschirm erkennen, keine Gesichter erkennen, nicht am Video schneiden können… einfach nur kongeniales NICHTS!!! Also was bin ich?? Ein NICHTS!!!

Und als hätte ich das noch zusätzlich benötig, spinnt das Diktierprogramm in einem fort… ein Bug nach dem anderen. Wäre ich zuhause, wäre ich alleine…Allein mit meiner Büchse derPandora… Ein kleines, ein großes Blutbad… Das man wieder als selbstgewählten, selbstverschuldeten „Blödsinn“ abtun kann… Weil man sich ja selber aussucht, als kleines Kind gefickt zu werden, man sich selbst ausgewählt hat, psychisch und körperlich zerstört zu werden, verdammte Scheiße!!!

Weil das alles hier ja nur ein heiterer Spaß ist, dudelt aus dem Radio „Happyhippo Musikantenstadl-Ziehharmonikagequetsche und Stadtkapellen-Tschinerassassa“ der infantilsten Art und Weise und ich komme mir vor wie in einer Persiflage über mein ganzes Leben!!! Standing ovations bitte, alles lacht sich kaputt, hahaha!!!

Mir wird schlecht. Vor Wut. Vor angestauter Aggression. Vor Verzweiflung, die ich nicht zulassen darf. Alles schreit nach einer Reaktion, einem Antagonisten, verdammt…

19:30
2,6mg Hydal, für wenige Minuten Frieden.
Panikattacke um Panikattacke.

NA; DU FETTE DRECKSAU??!!!!

Meine Wampe ragt seit Stunden weit hervor, als sei ich ein hochträchtiges Schwein.

Und gerade DU erzählst jedem, ob es ihn interessiert oder NICHT, dass DUHU vom Kortison NICHT zu fressen anfängst, DU MASTSAU??!!!!!!
WAS WAR DAS GRADE MIT DEN FETTEN NÜSSEN??!!!!!

Sie weggeworfen. Auch die restlichen Elefantenpopel. Nachdem ich nach dem Essen ein paar der Nüsse in mich reingestopft hatte, wegen dem Besuch, Gerede, Radio und erst recht weil ich meine Situation nicht mehr aushielt. Das Mittagessen zu 70% verschmäht. Das Abendessen zu 70% verschmäht. Mittags die Suppe. Abends ein paar Löffel der Suppe…

UND SO UNENDLICH PEINLICH HIER VERHEULT HOCKEN IN DEINER UNENDLICHEN FETTHEIT!!!!!!!!!!

und der scheiß Radiosender läuft immer noch. Ich will mich massakrieren, verdammt!!
Die Klingen wären da. Wem würden die Schnitte am Bauch auffallen???
Wie versteinert. Wie soll ich mit dem SCHEISS nur umgehen? Kann nicht rational drüber nachdenken. Meine Gefühle nicht fassen. Keine Bewältigungsstrategien mehr. Ratlos. Keine Zukunft. Und dennoch Schauspiel, Masskarade, oberste Pflicht…
Versteinert…