13. September 2016, Dienstag 11:46

Panik und Hoffnung im Schlagabtausch. Oder geben sich geschwisterlich die Hand, als läge überhaupt kein Widerspruch darin? Spätestens da fühlt man sich als gespaltene Persönlichkeit.

Die Sonne knallt vom Himmel, es wird zu warm. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Erst recht nicht die ganze Zeit mit meinem Spiegelbild im Bildschirm konfrontiert sein zu müssen. Ich hasse mich. Ich verachte mich. Und kaum scheint die Hoffnung das Zepter in seiner Macht zu haben, folgt ein weiterer Tiefschlag. Gnadenlos mit nur wenigen Schritten aus meinem bunten Kopfkino gerissen, zurück auf den Boden der Tatsachen.

Auf die Bank im Schatten der Autoscheune ausweichen. Aus dieser Perspektive muss ich zumindest nicht ständig meine Hackfresse ertragen. Ich bin fett! Aufgeschwemmt! 55,6 Kilo auch heute Morgen. Obwohl es abends erneut nur Eiweißshake und ein paar Weintrauben gab. Obwohl ich mich gestern entsinnen konnte, doch noch diese dämlichen Kniestrümpfe mit Loch vorne zu besitzen, die meinen „bösen, großen Onkel“ nicht so sehr in Bedrängnis brächten. Angezogen und abends meine Füße normal. Und doch steigt das Gewicht. Gebt der Samerin Essen mit etwas Salz und sie platzt gleich aus allen Nähten!

Kein Wunder, WIE MASSLOS DU FRISST!!

Immer häufiger über meinen Hunger hinaus. Wie eben gestern und auch heute beim Frühstück. Sebastian meint es gut mit mir, serviert mir jedes Mal 2 Scheiben Vollkornbrot, dabei bin ich doch bereits nach den ersten drei Bissen satt! Ich habe Lust auf eine richtig korpulente Fressattacke, mit allem drum und dran! Einen ganzen Topf Pudding, eine monströse Schale Eis mit dick Schlagsahne und Früchten, Torte oder Kekse… Der Pinsel in der Rollatortasche wartet schon. Zuletzt suchte Sebastian etwas darin, fand diesen und fragte verdutzt: „Warum hast du einen Pinsel mit?“, um sodann einen Scherz zum Besten zu geben: „Allseits bereit?!“. Auch der Strumpf, den ich gestern seit Tagen wieder getragen habe, blieb unkommentiert. Besser so. Auf dem Klo sitzend mir nachts 10 Schnitte verpasst. Bei all den Entwässerungstabletten konnte man nicht viel erwarten. Eine lächerliche Parade.

Die Nacht wurde lang und schmerzhaft. Entweder Schmerzen in Gesäß und Oberschenkeln, einen Topf Diana auf dem Nachtkästchen immer griffbereit, oder Krämpfe. Trotz vor dem Zubettgehen 2,6 Milligramm Hydal extra. Auch fängt der Zahn erneut an zu schmerzen. Als würde darunter eine Entzündung stattfinden. Vorgestern das Deflamat hatte gut angeschlagen. Also entweder ist mein Schädel wegen der kurzen Sonnenscheineinheit erhitzt und am Hämmern, wegen der erneuten Entwässerungstablette, weil die Entzündung in der Tat weiter rumort ODER mein Blutzucker soeben kollabiert. Als bekäme ich Fieber… Auf meinen beiden Runden am Haus entlang einige Himbeeren genascht und mit den vergammelten den Hühnern eine Freude gemacht. Solche Aktionen scheinen es aber immer nur schlimmer zu machen.

Zur Hoffnung… In den zurückliegenden Nächten immer wieder im Traum gelaufen oder mein Handy mit guter Laufmusik bestückt. Es wieder in Schuss gebracht, weil… Mit dem Pinsel auf der Leinwand, meinen Lieblingsliedern von 2010 aus den Boxen der Stereoanlage erlaubte ich mir eine Fantasie. Um konkret gegen die vorherrschende Panik anzugehen. Was ist, wenn ich mich soweit wiederhergestellt bekomme, um irgendwann einen Laufversuch zu wagen?… Ein flüchtiges Endorphinhoch, in meinen Beinen spürte ich die Kraft, spürte jeden gelaufenen Schritt, dieses Schweben, war für einen fragilen Moment zuversichtlich und glücklich… Ehe die Panikattacke das Gleichgewicht kippte und Oberhand gewann. Ehe ich bei der 2. Runde die Beine nicht mehr heben konnte. Ehe ich vor Tisch und Computer stehen blieb und mir schwindlig wurde, einhergehend mit starker Schwäche im ganzen Körper. Ich muss blöd sein, saublöd.

Es wäre besser, nach drinnen zu gehen, meine Mittagsdosis einzuwerfen. Etwas zu trinken. Hans-Peter kann ich ja draußen stehen lassen, mir selbst vorgaukelnd, nachmittags oder abends draußen weiter zu diktieren. In Ruhe und Frieden…

DASS ICH NICHT LACHE!!

Die Blätter fallen. Man riecht den Herbst, man sieht den Herbst und man hört ihn. Ganz zu schweigen von den Gefühlen, die er auslöst. Bei der Arbeit wechselten sich Geduld und Unruhe ebenso tatkräftig ab. Erlaubte ich mir auch nur einmal anzuerkennen, selbstsicher und in Frieden vor mich hin zu pinseln, trat wie eine Ohrfeige aus dem Nichts die Angst ein. Einen Satz wiederholend: „DU WIRST NIE FERTIG! ES WIRD NIE GUT GENUG SEIN! DIR LÄUFT DIE ZEIT DAVON! BALD WIRD IRGENDWER STERBEN!“. Das ganze Repertoire.

Schwer seufzen. Ist es nicht schon kräftezehrend genug, mir die Illusion zu basteln, an meinem körperlichen Zustand etwas aktiv verändern zu können und damit ständig auf die Fresse zu fliegen?

Im ehemaligen Obstgarten, mittlerweile dichtes Erlendickicht, raschelt es laut. Vermutlich ein Reh, ganz gelassen und nicht sonderlich irritiert von meiner Stimme. Was für ein schöner Tag. Die Musik, all die Erinnerungen explizit an 2010, unterstützten einerseits die Motivation und betrübten zugleich. Ich weiß, dass ich auch heute nach dem Essen auf dem Sofa absaufen werde. Obwohl ich längst nicht mehr sitzen werde können. Diese beschissene Glotze! Diese beschissene Müdigkeit, die bereits jetzt mit ihrer Schicht anfängt. Dabei sei noch nicht einmal gesagt, dass ich es nun überhaupt alleine zurück ins Haus schaffe. Aber zumindest die Rettung für Freitag bestellt und einen Termin beim Orthopäden Ende Oktober. Zumindest Kleinigkeiten geschafft…

15:35

Ich kann nicht mehr. Wie auf Kortison nichts ertragen, aushalten. Die Glotze… all diese Menschen kotzen mich an!!! Schmerzen, Krämpfe, 20 Schnitte im Bad, während er sein Mittagsschläfchen hielt. Oberflächlich und wertlos. Das Sitzkissen wechseln, noch mehr Protest des Körpers -mittlerweile der Rücken zusätzlich zum Gesamtkunstwerk- und wieder gewechselt. Es krampft immer stärker. Was einwerfen? Mir das Licht ausknipsen? Kurz davor, mich zu besaufen… Stattdessen eine weitere Dosis Tramal. Und nun noch Morphium?

Der verdammte Klapperkasten vom Rote Kreuz meldet in Abständen von wenigen Sekunden „Warnung! Die Verbindung wurde unterbrochen!“, seit Stunden!!! Unser Telefonanbieter hat wohl seit heute Morgen Probleme… Aber warum funzt dann das Internet?

15:53

1 Hydal 1,3, es begann zu donnern und er holte das alte Notebook von draußen. Den Plan, im Flur stupide meine Runden zu ziehen, verworfen und sodann den Staubsauger durch die erneut verdreckte Wohnküche gezogen. Mir ist schwindelig, Stromschläge, der Schädel immer noch heiß und Stabilität war gestern. Gedanken und Worte wiederholen sich.

Regen setzt ein, der Hintern bringt mich an meine Grenzen… Kann plötzlich auch nicht mehr tippen, alles im Arsch – WORTWÖRTLICH!!!!

Amok laufen!!!

Mich macht ALLES zornig, AUSNAHMSLOS!!! Heizdecke am Rücken, eiskalte Flasche Wasser und Ventilator auf Vollgas. Auch noch Kopfschmerzen bekommen und welche in den Handgelenken, durch die kalte Luft… Bitte erschieß‘ mich einer!!! Was soll das erst am Freitag werden???!!!

Auf meine fette Bauchkugel starren… Ich hasse dich!! Mich!!

Er kommt von oben angelaufen, hat bei der Telekom nachgefragt: „Er hat gesagt, in unser Haus gehen zwei Drähte und eins davon wird als defekt bei ihm angezeigt!“, und rennt weiter nach draußen.

Es riecht nach Sommerregen und schlagartig löst dieser Geruch bei mir Unwohlsein aus… Assoziationen zu diesem Tag in meiner Kindheit, als Tante und Onkel mich abholen und ich bei ihnen übernachten soll. Wie bei diesem Anfall, den ich in meinem Video beschrieben hab… Damals an besagtem Tag in der Kindheit hatte es auch ein Sommergewitter gegeben… So ein Aufriss meiner Seele, „nur“ weil ich nachts Heimweh bekommen hatte und meine Eltern spätnachts eine Stunde fahren und mich abholen mussten? Soll das so traumatisierend gewesen sein? Mir wird schlecht…

16:37

Ganz einfach nur“ ein epileptisches Phänomen durch all die Opiate ODER hat es etwa mehr zu bedeuten?

Sebastian seinerseits entnervt, will davon nichts hören. Ich bleib mit meinen haarsträubenden Spekulationen allein…. Und währenddessen hört der Regen auf und die (für meine Verhältnisse) Überdosis lullt mich ein. Abgesehen davon, dass ich den vermeintlichen Gestank hier drinnen nicht mehr ertrage… Räucherstäbchen.

Der Duft der Streichhölzer jagt mich erst recht in meine Kindheit! Noch beklemmender das Gefühl in mir… Nur so am Rande: Zuvor in diesem Therapiebuch das Kapitel der Dissoziationen gelesen. „Wenn eine Frau das Gefühl hat, missbraucht worden zu sein, stimmt diese Intuition grundsätzlich und es kann Jahre und Jahrzehnte dauern, ehe die ersten Erinnerungen auftauchen…[…]“.

Keks und 16:58, mir läuft die Zeit davon, doch ich kann nicht. Sebastian wieder entspannt, hört nun offener zu. Der Himmel bewölkt und ich kriege Angst vor der Depression.

17:31

Durch eine dicke Schicht Mentholbalsam hindurch kämpft sich der Schmerz und treibt mich erneut in den Wahnsinn. Wollte/sollte ich doch endlich die Arbeit wieder aufnehmen… Alles tut weh, ich ein Jammerlappen. Die Augen fallen zu bei diesem Konzert der Schmerzimpulse. Kann nicht mehr, aber welche Alternativen blieben mit groß?

18:13

Auf ganzer Länge kapitulieren. Den neuen PC insgesamt zweimal in den Ruhezustand versetzt und zweimal ist er wieder angegangen. Warum auch immer. Das darf er sich ansehen, ich kann nicht mehr.

Der Hintern hätte sich mit der Sitzgelegenheit auf dem Rollator durchaus eine Weile zufriedengegeben, aber die Verspannungen im Rücken drohten mir erneut mit Migräne… Aber noch viel schlimmer: Die Hand gelähmt! Zum 1. Mal seit langem?

Bei diesem Satz überkommt mich eine weitere Panikattacke, dazu noch das flaue Gefühl, aus dem Dejavue könne ein Anfall resultieren. Zu allem Überfluss geht draußen ein spärlicher Rest Sonne unter. Meine Augen verknoten sich. Was habe ich getan, was verbrochen? Hätte ich NICHTS Positives erwähnen dürfen? Es mit den Medikamenten übertrieben? Führt doch normalerweise eine größere Menge Opioide zu Ruhe und sehr wohl funktionierender Feinmotorik. Aber so nicht heute, heute ist wieder alles anders. Ich muss bestraft werden. Zurück auf den Teppich geholt werden. Nichts wird besser. Alles nur Einbildung.

Es gibt auch andere Gründe, die erfolgreich in den Suizid treiben…

Direkt über dem Steiß pocht es unaufhörlich. Direkt in der Mitte der Brustwirbelsäule pocht es unaufhörlich.

So wird es 18:36, Licht und kühle Luft jagen mir einen Schauer ein. Nun sehe ich mich erst recht hinter der Garage sitzen… 3… 2… 1… Nächste Panikattacke! Noch mehr Kindheitserinnerungen. Mit meiner Mutter beim Tapezierer, dieser strenge Geruch nach Gummi, dieses gedämpfte Licht durch die Vorhänge… Belanglos. Oder mein Bruder und ich, krank auf dem Sofa, das Fernsehgerät läuft. Weihnachten und in der Glotze ist jene Serie zu sehen, in denen es um Kinder in Venedig geht; tiefste 80er. Ebenfalls belanglos. Aber würde man mich nun konkret zu irgendetwas befragen, so könne ich darauf nicht antworten. Was ist mit der Einschulung? Aus der Volksschulzeit lediglich Fragmente abrufbar. Funktioniert das bei anderen besser? Markus war davon überzeugt. Die Schmerzen treiben es an die Spitze. Noch mehr Angst. Das Efectin zu schwach. Trotz allem kommt für mich kein anderes Präparat infrage. Keinen Bock auf Wasseransammlungen oder Gewichtszunahmen. Mir genügt schon der Effekt, den jeder Kontrollblick auf den Katheterbeutel in mir auslöst. Habe getrunken und getrunken und gesoffen usw., doch seit Stunden stagniert dessen Inhalt bei 700. Als würde das Furosemid im Laufe des Tages schlichtweg zum Erliegen kommen. Ich „freue“ mich regelrecht auf morgen!

Und schon erwähnt, dass ich vor Freitag Angst habe? Und was soll diese neue Neurologin für Wunder bewirken? Zur Tat schreiten… Ich könnte nun, und eigentlich müsste ich definitiv, diese… Das Wort ist weg. „Übungen für die Rumpfstabilität“ machen. Wie unter den elenden Antiepileptika nehmen die Sprachfehler und gedanklichen Aussetzer in den letzten 2 Wochen rapide zu. Kündigt sich wie vermutlich realistisch zu erwarten gewesen die nächste Depressionswelle an? Mal ehrlich? Keinen Bock drauf!

Ich würde nun abschließend gerne noch eine Bilanz zum Besten geben, aber längst der Vergessenheit zum Opfer gefallen die Zeit, insgesamt. 560 und irgendwas. Für heute definitiv nicht mehr als 2 Stunden und lächerliche 20 Minuten. Das linke beliebt sein Krampfhobby auszuüben und das Schreibprogramm erneut abzuschmieren. So endet also doch alles bei den stupiden Runden im Flur… und mir blüht eine weitere nervenaufreibende Nach in Folge. Es darf mir nicht gut gehen…

Hinterlasse einen Kommentar