„Bitte! BITTE, BITTE, BITTE TU DAS NICHT!!!“. Den Körper auf Knien anflehen, den Dachschaden oder Rumpelstilzchen oder wer auch immer dafür zuständig ist. „Nein, nein, nein, NEIN!! Nicht schon wieder!!“. Schwer atmen. Die Ereignisse schreien eigentlich förmlich nach einer Aktion meinerseits. Es darf nicht bei Tatenlosigkeit bleiben. Irgendetwas muss geschehen. Eine Stunde gemalt, danach wie so oft Abbruch. Ebenfalls wie so oft in den letzten Tagen dabei zusehen müssen, wie mein neues Lebenskonstrukt Stück für Stück demontiert wird. Die rechte Hand gelähmt, schwach und ohne Gefühl. Die Beine noch spastischer. Der Schwindel noch stärker. Henne oder Ei… Wildgänse flogen zuvor übers Haus in Richtung Süden. Saisonal zur rechten Zeit kommt die Depression angekrochen und will mir das Genick brechen. Zumindest hat sie schon einmal die Säge angesetzt. Woher sie nun genau kommt, bleibt unklar. Aus dem Norden? Oder nicht doch eher aus den Untiefen meiner dunklen Seele? Oder ganz klassisch dem Lichtmangel in den vor uns liegenden Monaten anzurechnen? Wie eigentlich bei jeder Depression? Ich habe Angst. Angst vor dem Abend, vor der Nacht, wenn es wie in den zurückliegenden Tagen mit der Panik am schlimmsten wird. Allein bei dem Gedanken daran bleibt mir jetzt schon die Luft weg. Dabei würde die Mittagsdosis gerade eben ihre Hängematte ausbreiten, um mich einzuladen, darin Platz zu nehmen. Die Sonne versteckt hinter Wolken, es ist kalt und windig. Nachts waren es -1,3 °C. Hatte ich morgens nicht groß getönt, ich wolle heute spazieren gehen? Gut eine weitere Stunde damit verplempert, im Internet weitere Sachen zu bestellen, Geld auszugeben, für Dinge, deren Nutzen bis dato noch unklar ist. Und warum gräme ich mich wegen der E-Mail im Posteingang? Diesem Herren in Oberösterreich geschrieben, dass wir spätestens am Montag erfahren, wie das mit der Spedition und dem Laufband funktionieren wird. Und seine Antwort? „Ich habe das Laufband bereits am Donnerstag verkauft.“. Unverzüglich…
DU BRAUCHST ES JA OHNEHIN NICHT!! SCHAU DICH MAL AN!!
„Scheiße, wir waren zu langsam… Aber wozu hätte ich es kaufen sollen? Ich kann noch gar nicht mehr gehen…“, und die Laune sackte weiter ab. Davor mit dem Staubsauger im Wohnzimmer unterwegs und elend gescheitert. Keinen Schritt, keinen Fuß gehoben bekommen, die Hand viel zu schwach, das Rohr festzuhalten, ganz zu schweigen davon, mich selbst am Rollator aufrecht zu halten. So sank ich eben völlig erschöpft auf die Couch und holte mir die Ohrfeige mit dem Trainingsgerät ab.
Dass der Traum heute Nacht harmlos geblieben ist, grenzt an ein Wunder…
WIESO?!! DIR IST NICHTS PASSIERT!!
Das Telefonat mit Markus gestern… Es ging unter die Haut, wortwörtlich an die Unterwäsche und dafür, dass ich ihm immer noch nicht traue, habe ich gestern aber alle Hüllen fallen lassen. Eigentlich wollten wir schon Schluss machen, uns verabschieden, doch da fragte er: „Ist der Rumpelstilzchen auch da?“. Den männlichen Artikel erhielt er seines Naturells wegen und weil ich immer wieder gesagt habe, er bestünde hauptsächlich aus männlichen Anteilen. „Ja?“. „Kann ich ihm ein paar Fragen stellen?“. „Natürlich… er wartete förmlich darauf.“. Auch nach dieser halben Stunde fragte ich meinen Analytiker: „Was war das jetzt? Ein Schauspiel? Bin ich der geborene Schauspieler? Lasse ich mich so sehr auf die Thematik ein, ganz allein aus dem Antrieb heraus, dass ich so zu etwas Besonderem werde? Bin ich so scheiße und so schlecht?“. Ich kann das alles nicht wiederholen, das geht zu sehr unter die Gürtellinie, im Genre würde man von einem „Snuff-Video“ sprechen. Die Frage lautete nämlich: „Wie würde sich Rumpelstilzchen Biancas perfekte Bestrafung vorstellen?“. Bezugnehmend auf diese eine Folge Domian, die ich ihm geschickt hatte. Mein Körper sank tiefer zurück in die Kissen auf dem Sofa, die Augenlider senkten sich ebenfalls ab, bis zur Hälfte, Stimmfarbe und Vokabular veränderten sich drastisch. Scheinbar (oder lediglich eingebildet) zog sich meine „Alltags-Persönlichkeit“ in meine rechte Hand zurück und versuchte klimpernd zu überleben. In einem fort und unaufhörlich bis 4, während eine Etage höher mein Urteil gesprochen wurde. Und Markus reizte es immer weiter aus, diese Vorstellung, dieses Bild, welches immer drastischere Ausmaße annahm. Nun fragte er doch tatsächlich wie es wäre, würde die kleine Bianca daneben stehen und müsste zusehen. Noch vernichtender DIESES Urteil…
DIE KLEINE FOTZE?! Die ist ja keinen Deut besser!! Kann gleich mitmachen, herhalten!!
Die Hand klimperte schneller und schneller, Tränen quetschten sich aus meinen Augenhöhlen, aber der Blick blieb gleichsam starr, voller Zorn, vor Boshaftigkeit lodernd und die Worte peitschten weiter, beschimpften weiter, würgten weiter, vergewaltigten weiter, holten den ganzen Dreck aus mir raus, um ihn mir sodann wieder einzuflößen, hinein zu stopfen, mich damit einzuschmieren, zu kontaminieren… Wie viele Pädophile hätten da ihre helle Freude daran?! „Belassen wir es dabei und steigen wir nun aus diesem Bild wieder aus. Wo ist die kleine Bianca? Wie geht es ihr?“. Sie saß immer noch in der Ecke, zitternd und sich doch bewusst, dass die Strafe gerecht war. Berechtigt war. Dass sie schuldig ist.
2012 wäre ein derartiges Gespräch nicht möglich gewesen. Aber mein Vokabular hat sich seit dem noch mehr explizite Schubladen zugelegt.
Dies sei nun eine leichte Trance gewesen, meinte er. Ich war fertig. Und hätte… Aber habe nicht. Hatte doch mein eingebauter Terrorist bemängelt, dass ich es nie richtig mache, zu feige bin, zu wehleidig und es besser wäre, ich würde es ihm überlassen. Damit dabei wenigstens mal „ein Ergebnis“ resultieren kann.
Der Schädel dröhnt. 56,4 Kilo und heute das letzte Essen von meiner Mutter. Das Püree war versalzen und die Entwässerungstablette hatte mir 1 h zuvor schon den Boden unter den Füßen weggerissen. Ich dementsprechend bedient und ließ es links liegen. Mir genügte schon der Gedanke an die Gasthausküchenspüle, mir wurde schlecht und bewusst, dass wenn ich diese Vorstellung im Kopf weiter forciere, werde ich keinen einzigen Bissen mehr von ihren Sachen runter kriegen!!
Mario rief an und erzählte von einem ehemaligen Zivildiener, der nun seine Krankenpflegerausbildung beenden würde, dass es in dessen Diplom um MS ginge und er nicht gewagt hätte, an mich heran zu treten. Ob er mir ein paar Fragen stellen dürfe. Natürlich?
NATÜRLICH??! Egozentrisches Miststück!!
Den Faden verloren… Was wollte ich noch sagen? Das Video! Konvertierte heute Nacht erneut über 6 h. Endergebnis heute Morgen? Die Tonspur ist verrutscht. Irgendetwas sabotiert mich, will nicht, dass dieses Filmchen in die Welt hinausgeschickt wird. Heute Nacht ein weiterer Exportvorgang, obwohl mir allmählich wirklich die Strategien ausgehen. Warum wird aus dem wunderschönen, scharfen Material eine unscharfe Plürre? Warum klingt der Klang so verzerrt?
Wieder und wieder wandert der Blick hinaus zum Himmel. Ich fühle mich krank und müde. Es wird bei der 1 h am Bild bleiben. Meine ganzen Pläne hinfällig. Beim Putzen meiner Zähne artig am Stand gegangen und dabei mehrmals wie so oft um Haaresbreite die Möglichkeit für einen spektakulären Sturz verpasst. Wie krank muss man sein? In meinem Schädel nichts Gutes. Das destruktive Sortiment erfährt Förderung. Ich möchte mich wie auch mein interner fragwürdiger Freund zerschmettert auf dem Boden liegen sehen. Zersprungen in 1000 Scherben, irreparabel, vernichtet. Hoffnung war gestern.
Du bist müde…
Keine Ausrede.
Meine alte Schultasche gestern beim Schuhmacher abgeholt. Die eigentliche Rollatortasche ausgeräumt. Im Relikt der Gymasiumzeit verschwinden ein Pinsel, 2 Handtücher, mehrere Verbände, ein Skalpell, die Dose mit verbrauchten und jungfräulichen Rasierklingen… Bin ich durchtrieben oder schlichtweg scheißegal?
16:41
Dekompensieren!!
Der hilflose, verzweifelte Versuch, dieses Chaos in mir irgendwie abzuführen. Ich halte meinen Gestank nicht aus. Ich kann nichts! Auf volles Risiko gehen, es scheinen keine Gewissensbisse, keine Grenzen, keine Vorbehalte mehr für mich zu existieren. Er ist oben und ich setze mich aufs Sofa, als sei ich ganz allein. Nun wirkt der Blick fast liebevoll, als von gebrauchter zu neuer Kante gewechselt wird, als sich die Blutperlen zu feinen Rinnsalen sammeln, der Blick beinahe so unschuldig und interessiert wie der eines kleinen Kindes, wenn es Benzin über einen Ameisenhaufen gießt und diesen dann abfackelt… Mir ist schlecht und es reicht nicht. 22 Kratzer und sie reichen nicht. Alle Register ziehen… Pro forma zum Hydal greifen? Es ist die stärkste und effektivste Waffe, die ich noch zur Hand habe. Alles andere würde mir das Licht ausknipsen. Während ich noch am Schneiden war, die Überlegung, ich müsse endlich duschen. Aber ich halte erneut die Unordnung um mich herum nicht aus und die Panik wie ein pflichtbewusster Beamter pünktlich zur Stelle. Ich bin allein, der Kühlschrank voll mit Sünden, ich könnte irgendetwas fressen und dann den Pinsel… Hauptsächlich leicht zu Erbrechendes, wie Pudding, Mousse au Chocolat… Warum nicht?
Weil es keine Lösung ist…
Ich könnte mich hinsetzen, ans Bild, und darauf hoffen, dass mich die Beschäftigung ablenkt. Ich könnte hier ausharren und weiter durchdrehen.
Na?! WONACH ist dir?!
Eine gefährliche Schwelle erreicht? An der Erinnerung geschnuppert und einen Riegel vorgeschoben bekommen? Warum nicht Glotze an und Augen zu? Ich stecke vermeintlich in einer Sackgasse, die Sonne kam nicht mehr raus und jetzt kurz vor 5 wird es ohnehin dunkel. Die rechte Hand klimpert, die linke tut so, als sei sie klinisch tot. Eine Entscheidung müsste gefällt werden. Schwer seufzen. Der Schmerzreiz im Untergeschoss nimmt zu. Der Katheter zerreißt vermeintlich wieder alles. Wie könnte ich mir nun etwas Gutes tun? Genauso gut könnte man mich fragen, wie die Lottozahlen morgen ausfallen werden… Ich weiß es nicht!!
Nach einer Alternative für das Laufband suchen…
Noch mehr Geld ausgeben, du Schlampe!!
18:29
Immer weiter abdriften. 15 min gemalt. 15 min, in denen ich den Pinsel nicht halten konnte. 15 min, in denen ich Domians infantiles Geschwafel nicht aushalten konnte. Zurück am Ausgangspunkt. Meinen Gestank nicht aushalten, das laute Klappern vom Ventilator im Heizstrahler nicht aushalten. Anstatt blindlings in eine Fressattacke zu steuern mir das restliche Apfelkompott von vorgestern geholt. Immer noch keinen Einblick auf mein Konto genommen. Nun fehlt der entscheidende Zettel mit dem entscheidenden Datum. Zuvor das Hydal 2 mg zu früh eingenommen. Keinerlei Auswirkung. Wonach mir ist? Wie eine Geisteskranke vor und zurück schaukeln, ohne Ende. Das Novalgin geht erneut zur Neige, ganz zu schweigen davon, dass man es nicht als Dauermedikament einnehmen sollte. Da fällt mir ein, wonach ich noch suchen wollte… Beim Ausdrücken der fehlenden Tabletten vor wenigen Minuten die Beipackzettel in der Hand. Wollte meinem Lieblingshobby frönen, die Überdosierung abchecken, aber ich vermochte die vermaledeiten Zettel nicht auseinander zu falten!! Ja, jetzt ist es wieder soweit! Und jetzt kommen die Tränen…
Weil sich das Stück Scheiße ja so leid tut!!
Ich will nicht mehr, ich schaffe das nicht mehr, ich kann nicht mehr… Mit was für rationalen Ansätzen sollte ich mir jetzt in dieser Situation noch kommen? Exakt dieselbe Scheiße wie letztes Jahr! Die Hand klimpert. Ein Notausgang, jetzt einen Notausgang… Mich entkleiden, Überdosis Mirtazapin… Wie geplant! Mein Bruder stellte fatalerweise die Frage nach meiner Befindlichkeit. Ich antwortete ehrlich: „Seit ein paar Tagen leider nicht mehr so gut…“. Darauf seufzte er. Er hat das Wochenende frei, hat er gesagt, das wären doch die besten Bedingungen… Sebastian erneut ein Briefchen schreiben, ihn beruhigen, dass meine „Abwesenheit“ keinem Suizid gleichkäme, lediglich dem Abschalten meines Systems und dass er -wenn er der Meinung ist- auch die Rettung rufen kann, um mich einweisen zu lassen.
Ja, genau! Ihn mit der ganzen Scheiße wieder allein lassen!! Ihm die ganze Verantwortung mit einem Mal vor die Füße spucken!! Wie schäbig wäre das?!!
Die Schmerzen im Gesäß setzen wieder ein, erinnern mich daran, dass ich ohne die Schmerztabletten aufgeschmissen wäre. War das gestern unklug? Dieses Aufschlagen eines weiteren Kapitels? Zu früh? Wollte ich es denn nicht so?! Die Hand klimpert immer schneller. Mir bleibt die Luft weg. Benzos? War das vorgestern riskant, als sie mich sitzen hat lassen? Oder wie immer nur ganz allein mein Fehler? Weil ich etwas missverstanden habe? Zu blöd war? Eben nur Bittsteller? In Gedanken setze ich die Rasierklinge an der Handbeuge an…
Er kommt wieder nach Hause…
18:55
Er nimmt am anderen Ende vom Sofa Platz, ahnungslos, und ich schweige. Beim Überfliegen meiner Zeilen reißen mich immer wieder kleine Wellen von Panik mit sich und wollen mich absaufen lassen. Die Idee mit dem Psychopax noch nicht vom Tisch. Dabei setzt im Augenblick der Rest der Abenddosis ein. Aber es genügt der beiläufige Blick nach rechts zur Schüssel mit den Resten vom Kompott und das Herz schaltet gleich 2 Gänge höher. So lange auszuhalten versuchen, wie noch möglich? In meinen Ohren pocht es, die Nase zugekleistert, die Stimme nasal. Am besten wäre dem eigentlichen Trieb nachzugehen: einschlafen.
20:27
Mich wieder einkriegen… Es tut mir leid, ich bin scheiße…