8. März 2017, Mittwoch 10:34

Es ist alles beim Alten geblieben. Ich hasse mich immer noch, halte meinen Anblick im Spiegel nicht aus, Rumpelstilzchen unterstützt mich bei dieser Art von Verachtung und ich bin müde. Aber heute Nacht wenigstens einigermaßen gut geschlafen. Schon tun sich andere Fragen auf: Was mache ich falsch, was mache ich anders, was habe ich an mir, das ich abstellen müsste? Nicht länger freundlich sein? Endlich die Schnauze halten, mich bedeckt halten?

Der Alarm meiner Stoppuhr lässt mich wissen, dass ich mich allmählich auf den Weg zur zweiten Physiotherapieeinheit begeben sollte. Doch davor noch ganz kurz angerissen der Grund für all diese Fragen: Als ich soeben vom Frühstück kam, saß ein Mann beim Blutdruckmessgerät. Ich begrüßte ihn, wie ich jeden hier freundlich begrüße. Er antwortete, mir kam erst die Stimme und dann das Gesicht bekannt vor. Schon stand er vor mir und meinte, ob ich ihn nicht mehr erkennen würde… Ja klar! Einer meiner fünf Tischnachbarn bei der ersten Reha 2013. Ebenfalls um die 50. Aber was er mir nun eröffnete, ließ mich sprachlos zurück. Ich hatte damals sehr wohl bemerkt, dass der jüngere Tischkollege mit seiner schweren körperlichen Behinderung durchaus für mich zu schwärmen schien. Hat er mir damals doch verraten, noch nie eine Frau gehabt zu haben. Aber nun sagte der Ältere: „Nicht nur… (Ich habe seinen Namen vergessen) war damals verliebt in dich. Ich war auch total verliebt in dich!“, in seinem speziellen Deutsch mit slowenischem Akzent. Was hätte ich dazu sagen sollen? Ich lächelte irritiert, verlegen. Schon kam die nächste Frage: „… Und dein Freund?“. Mich an diesen Gedanken klammernd: „Der kommt heute zu Besuch!“.

Erst eine Affäre und jetzt das! Ich fühle mich nicht geschmeichelt, ganz im Gegenteil, regelrecht unwohl und irgendwie verängstigt.

Da beginnt das linke Bein erneut zu krampfen. Mich auf den Weg machen…

20:41

Ich habe ein Problem. Ich habe ein Problem damit, wenn ich den Eindruck gewinne, eine Belastung zu sein. Wie eben gerade bei der Schwester, die kurz angebunden war und mir doch noch rasch ins Bett helfen wollte.

Ich hatte ein Problem damit, nachmittags unten im Eingangsbereich beim Malen die Laufmusik von 2010 zu hören. Dazu der Lichteinfall von draußen, das Wetter und ab und an in Sportklamotten gehüllte Menschen, die vorüber zogen. Am Himmel die Krähen beim heiteren Spiel… Wieder und wieder die Augen geschlossen und mich daran erinnert, wann ich welches Lied an welcher Stelle meiner Strecken zum ersten Mal und auch am häufigsten gehört habe. Mir vorgestellt, wie ich dazu zum Intervalltraining ansetze… Da geht der Refrain los, mit einem Tosen, einem mitreißenden Rhythmus, das Schlagzeug wird zum Pulsschlag, die Melodie geht in die Blutbahn und mit jedem Schritt schneller und schneller meint man, man würde fliegen…

Neue Perspektiven finden“… Ich will mein Leben zurück!

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