10. April 2019, Mittwoch „Was ist schon fair?…“

8:40
60,6 Kilo um 7:15 Uhr. Auf der Waage ein Anflug von Schwindel, beinahe umgekippt, umgefallen, aufgeschlagen. Das erste Drittel des Aprils Geschichte. Und wie letztes und vorletztes und vorvorletztes Jahr atemlos bemerken: „Gestern war doch noch Silvester…“. Und morgen ist schon Herbst! Der Himmel ist grau. Im Wetterbericht steht etwas von 100 %iger Bewölkung. Aber kein Regen. Ich wollte Markus absagen, aber nun denke ich, mich da durchzubeißen. Vermutlich zu schwach, um zu verzweifeln. Nicht dass es das Ertragen leichter machen würde, per se, aber warum kann ich nicht „richtig krank“ sein? Eben klassisch, „normal“, für alle sichtbar, unbestreitbar? Ein wenig Schnupfen? Wenigstens das?
In den abgestorbenen Himbeerstauden hüpfte soeben ein Zilpalp herum. Ich war wieder einmal zu langsam. Ich bin für alles zu langsam. Für NICHTS mehr zu gebrauchen. Außer „da zu sein“. Aber reicht mir das als Lebensinhalt?
Was mir definitiv REICHT sind die Kapriolen meines Körpers, meines Immunsystems! Um auch jetzt noch einmal den Satz von gestern Abend zu wiederholen, der sich mir leider aufzwängt: „WARUM zum Henker, und das fällt doch nun allmählich wirklich auf, passieren solche Einbrüche scheinbar IMMER genau dann, wenn dem eine Generaluntersuchung vorausgegangen ist, die eigentlich ALLES dementiert, allem widerspricht, was dann in Folge auftritt???“. Eine schäbige Wiederholung der Wiederholung von der Wiederholung. Wird Zeit, dass er heute endlich das Ohrthermometer wieder abholt. Gestern stieg die Temperatur und stieg und stieg, bis etwa 37,2 °C.
Von Tag zu Tag schlimmer, deutlicher die Ausfälle…
Ich kann nicht stehen.
Ich kann nicht gehen.
Kann nicht greifen.
Nicht denken.
Konnte die Zahnbürste nicht halten, nicht führen. Schaffte kaum den Weg nach draußen, um dort auf die Rettung zu warten. Meine Zahnärztin fragte mich ernsthaft, ob ich sehr viel zuckerhaltige Getränke konsumieren würde. Oder sehr viel naschen. Was ich naschen, wollte sie wissen. Denn vorne an den Schneidezähnen Karies zu bekommen, sei schon eine Kunst. Dabei darf man aber nicht außer Acht lassen, dass sich der Zahn gespalten hatte, ein Stück war innen drinnen abgebrochen und dort hatte sich dann Karies breitgemacht. Kein Zahnschmelz, kein NICHTS mehr. Oder liege ich da falsch, versuche mir nur schön zu reden, dass meine nächtlichen Fresseskapaden im Bett keine Folgen haben können?
Kaum zurück, mussten mich die beiden Sanitäter bis ins Wohnzimmer fahren. Ich hätte es nicht mehr zurück ins Haus geschafft mit dem Rollator. Auf meinem Fernsehsessel und schlafen. Erhöhte Temperatur. Der Schädel am Bersten. Kopfschmerzen. Dazu aber auch immer mehr Verspannungen in Schultern und Nacken.

Heute Nacht im Traum sah ich die Ewoks. Sebastian und ich waren welche und wollten eine neue Küche kaufen, aber es gab nur solch amerikanische Modelle mit einer winzigen Spüle direkt neben der Herdplatte. Ich diskutierte hitzig mit dem italienischen Verkäufer, dass ich dann aber eine normale europäische Spüle haben möchte, und er, renitent, ließ sich nicht davon abbringen mir weiszumachen, das winzige Becken würde völlig ausreichen. Dann wollten Sebastian und ich ein Haus kaufen. Einen Erdhügel. Und jeder einen anderen. Die Behausung sah aus wie bei den Teletubbies. Und er? Er stürzte ab, und ich versuchte verzweifelt ihn aufzufangen. Kurzzeitig war unklar, wie die Geschichte ausging, ob einer gestorben sei, oder alle beide. Aber dann kam bereits die Invasion von bösen Trollen und Hexen und Monstern, die unser Dorf überfallen wollten. Meine Mutter hatte den Dachboden im Gasthaus aufgeräumt und wollte mir verständlich machen: „Da oben könnt ihr jetzt schlafen! Da seid ihr sicher!“. Im Vergleich zu den anderen, die richtiger Baumhäuser hatten, war ein breites Brett über die blanken Dachsparren gelegt worden, worauf wir hausten. Natürlich ließen sich von dort oben einfallende Diebe und Räuber leichter bekämpfen, wieder runter stoßen. Aber das Brett, auf dem wir unser Lager aufgeschlagen hatten, war so schmal, dass wiederum wir abzustürzen drohten… Und dann am Schluss ist mir ein „Honigbär“ auf den Kopf gefallen, aus einem Baum heraus, auf dem ich gerade eine Amsel und eine weibliche Mönchsgrasmücke filmte. Was für ein abgedrehter Scheiß!

Ergo: Meine Mutter versucht meine Erinnerungen, mein Weltbild umzudeuten. Damit ich mich wieder sicher fühlen kann? Fragwürdige Intention? Weil ja nichts passiert ist, nichts passiert sein kann, weil ja „nur ich“ so sensibel gewesen sein soll, „nur ich“ all das eben „so stark“ empfunden haben soll? Die Deutungshoheit über alles? Und ich sah den aufgeräumten Dachboden. Aber er war zu weit weg, bedrohliche Tiefe, und wäre man abgestürzt, vermutlich nicht ohne Genickbruch!

Mir gerade eben den Rollstuhl angesehen, den der Orthopädietechniker bei der Kasse für mich beantragen will. „Schön“ sieht anders aus. 150 Kilo! Heilige Scheiße!!!

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Mir bleibt noch eine Dreiviertelstunde. Fahre ich raus? Schaffe ich es, irgendetwas anzuziehen? Gestern bei Amazon eine Jacke bestellt, Größe 50. Ob ich mir einen Gefallen damit tue? Oder wieder so eine Kurzschlussreaktion, die auf lange Sicht überhaupt keinen Wert hat? Wie so viele Bestellungen, die sich bei Amazon doch so leicht machen lassen? Was hat man da bloß für Krempel angesammelt die letzten Jahre! Überflüssigen Schrott! Gewissermaßen habe ich Panik, wegen der Sitzung, wegen dem Termin. Wüsste ich es nicht besser, könnte man meinen, irgendwer würde mir seit Tagen starke Beruhigungsmittel verabreichen. Aber auch diese würden keine erhöhte Temperatur evozieren. Oder bleibe ich hier am Tisch, schmeiße die Rotlichtlampe an, während ich von meinen Träumen erzähle?

Alles scheint so unendlich weit weg… Und da fällt mir ein, was ich noch erwähnen wollte. Im Posteingang eine ganz lange E-Mail. Von jemandem, der meine Videos gekuckt hat. Ich war unfähig. Lediglich die Hälfte habe ich gelesen. Noch nicht mehr geschafft, vom Antworten ganz zu schweigen.
Im Rettungswagen wieder meine Karten verteilt. Doch kaum zurück im Haus, kaum fiel hinten die Tür ins Schloss, fühlte ich mich SCHLECHT. SCHULDIG. Was hatte ich bloß von mir gegeben, mir angemaßt??? Ich sah mich um, sah meine Bilder, und alles war SCHEISSE!!! Kein einziges Gesicht hielt meiner scharfen Prüfung stand! Jedes Gesicht verzerrte sich! Verschob sich! Wurde aus den Angeln der Realität gerissen und ergab keinen Sinn mehr! Mein ganzes Werk, mein Schaffen, WAR NUR NOCH EINEN FEUCHTEN KEHRICHT WERT!!! MEIN NEUES VIDEO GLICH EINEM HALBEN VERBRECHEN!!! ALLES, WAS ICH JEMALS PRODUZIERT HABE, WAR PLÖTZLICH NICHT NUR NICHTS MEHR WERT, ES WAR EINE ANMASSUNG, DER GRÖSSTE SCHEISSDRECK, DEN MAN SICH ÜBERHAUPT VORSTELLEN KANN!!!!!! MIR FEHLEN DIE KRAFTAUSDRÜCKE, UM MEINE GEFÜHLE FÜR MICH UND MEIN TON ZU VERBALISIEREN!!!

Die Nase ist zu. Oder fühlt sich zumindest so an, als wäre sie ausgetrocknet. Mich dabei ertappen, ständig nur noch durch den Mund zu atmen.

Mach irgendwelche Übungen, sonst wird es nicht besser…

Ich weiß nicht wie. Vermag nicht mich zu überwinden. Will eigentlich nur noch schlafen. Weiterschlafen. Während draußen allmählich die Traubenkirschen zu blühen beginnen, und ein betörender Duft in der Luft liegt…

17:43
Hauptsächlich möchte ich mir augenblicklich die Arme aufschneiden. Kreuz und quer. Dieser Körper soll bluten. Zur Rechenschaft gezogen werden.
„Das hat sicherlich auch eine psychische Komponente!“, Markus zuvor. WAS zum Henker soll das sein? Das Ohrthermometer, das ich ersetzt bekommen sollte, ist immer noch nicht geliefert worden. „Freitag…“, wurde Sebastian vertröstet. Das geht jetzt seit zwei oder drei Wochen so? Die letzte Messung, und ich war davon überzeugt, nun seien es weniger, fühlte mich irgendwie durchgeschwitzt, ergab erneut 37. Wollte die Sitzung draußen machen, aber es war zu kalt geworden, ich unfähig, mich irgendwie wärmer anzuziehen. Die zweite Hälfte drinnen auf dem Fernsehsessel. Dem „elektrifizierten Omathron“. Und geschlafen, geschlafen, geschlafen… Zu meinem Glück, der Himmel blieb grau. Nichtsdestotrotz verdichtet sich das Grün und die Chancen, Vögel in flagranti zu erwischen, schwinden zusehends.
Ein Grund mehr, zur Rasierklinge zu greifen, die Aufnahme, die ich zuvor gemacht habe. Mein Gesicht ist schon wieder dermaßen aufgequollen!! Sebastian würde vermutlich „Du siehst einfach nur müde aus!“ sagen.
Nein?! Ich sehe zum Brechen aus?! Und kaum mich selbst im Display gesehen, fühlte ich beim Inhalieren mein widerwärtiges, fettes Gesicht, wie es sich in den weißen Plastiktrichter quetscht! Wie ich damit aus allen Winkeln aussehen muss!! Ich sehe aus wie… eine „waschechte Samer“!!! Und DAS ist die Katastrophe!!!
Nächste Überlegung? Zum Temesta zu greifen! Denn ich fühle da noch etwas anderes, das mir Unbehagen bereitet! Zuvor auf dem Sessel, in meiner Wertlosigkeit, meiner Erstarrung… Das Bedürfnis zu fressen, zu fressen, zu fressen!!! Als wäre der Salat mittags nicht ausreichend genug gewesen, als sei ich nicht in der Tat pappsatt gewesen!…

Und Schweinchen Dick braucht jetzt noch einen fetten Tee!!!

Weil da so viel Vollmilch drin ist… Ich möchte ins Bad, mein Gesicht waschen, mir den fettigen Film vom Gesicht waschen, den ekelhaften Schweiß, als könne ich damit mein Aussehen marginal aufwerten…

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